Partnerschaft, Paarbeziehung und Liebe

Das Abenteuer zu zweit

Die Paarbeziehung ist meistens eine große Herausforderung. Oder wird es irgendwann. Die meisten Menschen gehen mit Vorstellungen in eine Paarbeziehung, die nicht viel mit der Realität zu tun haben. Es sind entweder Idealvorstellungen, die sich aus dem abschreckenden Vorbild der Eltern entwickelt haben oder es sind angstvolle Vorstellungen, die durch ein Sicherheitsverhalten vermieden werden sollen. Trotz aller dieser Versuche, die Paarbeziehung zu kontrollieren oder angenehm zu gestalten, stellen sich früher oder später Schwierigkeiten ein. Ich schreibe das hier bewusst so, weil die Probleme dadurch verschärft werden, dass die meisten Leute denken, nur sie hätten das und alle Anderen seien rundum glücklich. Vielleicht sind die anderen Paare gerade mal glücklich, aber bestimmt nicht immer.

Ein Problem kann auch als Herausforderung betrachtet werden, dann ist es schon nicht mehr so bedrohlich. Probleme lassen sich immer lösen, Schwierigkeiten lassen sich meistern und Krisen gehen vorbei. Das ist ein Grundgesetz der Natur: „alles geht vorbei“. Zumindest darauf kann man sich verlassen.

In der Paarbeziehung leben und erleben wir alle unsere früheren Liebesbeziehungen wieder, in Teilen oder als Wiederholung oder als Gegenkonzept. Die ersten Liebesbeziehungen sind die wichtigsten und das sind die Beziehungen zu unseren Eltern, dann kommen die Geschwister, dann der Freundeskreis, dann erste intime Erfahrungen, dann Partnerschaften. Die am meisten prägenden Liebesbeziehungen sind daher die mit den Eltern. Wie sich das konkret auf ein Beziehungsverhalten auswirkt, ist individuell verschieden. Da Eltern niemals alles perfekt machen können, wird es wunde Punkte geben, die in einer folgenden Liebesbeziehung angerührt werden können. Interessanterweise stellen alle Paartherapeuten fest, dass sich Menschen häufig in Partner verlieben, die genau diese wunden Punkten treffen werden, auch wenn das anfangs in der ersten Verliebtheitsphase nicht so aussah.

Ich habe beobachten können, dass sich eine Paarbeziehung entwickelt, wie ein Mensch vom Säugling zum Erwachsenen. Erst kommt die Babyphase, dann die Kleinkindphase, dann die Schulkindphase, Pubertät, Ablösung, Unabhängigkeit usw. bis die Beziehung erwachsen wird. Je nachdem, was ein Mensch in diesen Phasen seiner eigenen Kindheit erlebt hat, werden die entsprechenden Emotionen, Konflikte, Bewältigungsmuster oder Vermeidungsstrategien aktiviert. Hieraus ergibt sich die wunderbare Chance, zum zweiten Mal etwas zu lernen, zu wachsen, zu reifen, eine neue Erfahrungen zu machen und anders mit den Problemen umzugehen als als Kind. Die Chance fragt: Wie könntest du als erwachsene freie Person dieses Problem bewältigen?

Ein paar Beispiele zur Veranschaulichung:
Ein Mann fängt nach der Eroberungsphase an, sich viel mit Freunden zu treffen, ihr aber sagt, das sei doch ganz normal. Die Frau fühlt sich vernachlässigt. Er war doch so begeistert und hat sie intensiv umworben. Was ist passiert? Wir sind in der Kleinkindphase der Beziehung. Möglicherweise hatte der Mann als kleiner Junge eine sehr vereinnahmende Mutter, die ihn ständig gegängelt, kritisiert und begrenzt hat. Das erweckte den starken Wunsch nach Freiheit und die Angst vor Enge.

Oder:
Eine Frau hat Affairen, die ihren Schwerpunkt auf der sexuellen Begegnung haben. Ansonsten verhält sie sich so widersprüchlich und abweisend, bis der Mann sich verabschiedet. Warum? Sie leidet darunter, dass sie keinen festen Partner findet, sie wünscht sich eine Familie. Hier kommt die Beziehung über die Babyphase nicht hinaus. Möglicherweise hat die Frau in ihrer Kindheit erlebt, dass der Vater die Familie verlassen hat, als sie noch sehr klein war. Sie traut keinem Mann mehr, sie will diesen schmerzhaften Verlust nie wieder erleben. Sie hat später in ihrer Jugend gelernt, dass Männer sich durch sexuelle Angebote anlocken lassen und das tut sie, um körperliche Nähe zu erleben. Dann kommt die unbewusste Angst und vermasselt alles.

Für mich ist klar, jeder wird mit solchen Themen in der Liebesbeziehung konfrontiert werden. Die Aufgabe besteht darin, es bewusst wahrzunehmen und ehrlich zu werden. „Was ist mein Teil an der Geschichte“. „Was tue ich aus welchen Motiven?“ „Welche Angst spielt eine Rolle“. Wenn sich Partner untereinander fordern und aushalten, können neue Lösungen gefunden werden. Das braucht aber Zeit. Das braucht Geduld. Mitgefühl mit sich und dem Anderen. Und die Überhahme von Verantwortung. Wie könnte ich als erwachsene freie Person mit diesem Problem noch umgehen, anstatt so, wie ich es gerade tue?

Das kann man in einer einzigen Liebesbeziehung tun oder in aufeinander folgenden. Es ist darum nicht unbedingt die Lösung, sich einen neuen Partner zu suchen, bevor man sein Verhaltensmuster verändert hat. Dann wiederholt sich nämlich die Geschichte. Es kann jedoch auch sein, dass die bestehende Partnerschaft nur so funktioniert, wie es war und die Weiterentwicklung nicht erträgt. Dann ist eine Trennung notwendig. Im Idealfall, gerade wenn Kinder da sind, entwickelt sich die Liebesbeziehung weiter. Zur Belohnung für die Bewältigung der Entwicklungsschritte kommt die Phase von zwei in Liebe verbundenen freien erwachsenen selbstbestimmten Menschen.

Autorin: Dipl.-Psych. Lydia Decker